Im Sommer 2019 soll die Lifestyleanarchist*in zum dritten Mal erscheinen.
In der dritten Ausgabe wollen wir uns schwerpunktmäßig mit dem Thema Arbeit und Faulheit auseinandersetzen:
In jeder Gesellschaft fallen Arbeiten an, die zur Befriedigung individueller und kollektiver Bedürfnisse erforderlich sind. Diese Arbeiten werden in aller Regel arbeitsteilig – wobei die Verteilung in aller Regel geprägt von den Hierarchien der Gesellschaft ist – von den Mitgliedern der Gesellschaft erledigt, wobei viele Gesellschaften einen Teil ihrer Arbeiten auch von menschlichen wie nichtmenschlichen Individuen, die nicht (vollwertiger) Teil der Gesellschaft sind, erledigen lassen. Die Verteilung der zum Erhalt einer Gesellschaft erforderlichen Arbeiten und auch deren Definition war in vergangenen Epochen ebenso wie heute ein bedeutendes Herrschaftsinstrument. Menschen wurden und werden – mal mehr subtil, mal weniger – dazu gezwungen, ihre Arbeitskraft in die Dienste anderer Menschen zu stellen, die dann über den damit erzeugten Mehrwert verfügen. Insofern ähneln sich ansonsten ganz und gar unterschiedliche Unterdrückungsmodelle im Zusammenhang mit Arbeit, von Sklaverei und Lehnsherrschaft über frühe Fabrikarbeit, Arbeitslager bis zu moderner Knastarbeit, Zeitarbeit oder auch sogenannter „freier Mitarbeit“.
Dabei sind es keineswegs ausschließlich materielle (ökonomische) Zwänge, die die Menschen dazu verleiten, Teil dieses Systems zu sein. Gerade in modernen Gesellschaften, in denen der Zwang zur Arbeit deutlich subtiler ausfällt, als noch vor einigen Jahrzehnten oder Jahrhunderten, kommt den verbreiteten Arbeitsideologien eine zunehmend bedeutendere Rolle zu. Diese dienen unter anderem dazu, Mitglieder der Gesellschaft, die sich der Arbeit (scheinbar) verweigern, zu stigmatisieren, sie sollen Hoffnung auf Besserung des eigenen Lebens durch Arbeit (reich werden) machen und sie werten bestimmte Arbeiten, vornehmlich reproduktive, ab und bürden diese bestimmten Mitgliedern der Gesellschaft (z.B. Frauen) auf, die diese in der Konsequenz nicht nur ohne Entlohnung verrichten, sondern dafür auch noch eine gesellschaftliche Abwertung erfahren.
Nicht nur, aber ganz besonders in Deutschland herrscht seit einiger Zeit eine ganz besonders absurde Arbeitsideologie. Diejenigen, deren Arbeitskraft in verhältnismäßig großem Maße ausgebeutet wird, fordern nicht etwa ein Ende dieser Ausbeutung, nein sie fordern noch mehr! „Sozial ist, was arbeit schafft“ (CDU/CSU, FDP, INSM), „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ (Müntefering, SPD) sind inzwischen gängige politische Parolen der Mehrheitsgesellschaft. Kein Wunder, dass mensch sich da davor ängstigt, dass „Ausländer“ einem die „Arbeitsplätze klauen“.
Trotz der offensichtlichen Existenz einer solchen, von der gesamten Mehrheitsgesellschaft getragenen, Arbeitsideologie verklären auch viele linken Kritiken an Arbeit und Kapitalismus im Allgemeinen die Verhältnisse: Auf der Suche nach klaren Feindbildern müssen entweder einige unbestimmte „Kapitalist*innen“ oder gar das (personifizierte oder auch nicht personifizierte) „Kapital“ als Verursacher*innen herhalten, manchmal sind es gar ganz bestimmte Berufsgruppen – etwa Banker und Manager –, die als Sündenböcke herhalten sollen. Gerade letzteres erinnert – ob gewollt oder ungewollt – an die Federsche Unterscheidung von „schaffendem“ und „raffendem Kapital“ und bedient nicht selten auch andere klassische antisemitische Klischees.
Wir wollen in der kommenden Ausgabe der Lifestyleanarchist*in nach anarchistischen Analysen von Arbeitsideologien und deren Rolle im kapitalistischen System suchen. Dabei wollen wir uns nicht auf ein statisches und aus der Zeit gefallenes Herrscher*innen-Beherrschte-Schema beschränken, sondern versuchen, der hohen Komplexität der (heutigen) Verhältnisse Rechnung zu tragen. Zugleich möchten wir natürlich auch nach Ansätzen suchen, adäquaten Widerstand zu leisten: Wie lassen sich gängige Arbeitsideologien aufbrechen? Wie können wir den Ablauf der Produktivität stören und welchen Erfolg können wir uns davon versprechen?
Wir sind gespannt auf eure Beiträge zu diesem Thema.
Wie immer freuen wir uns aber auch über alle anderen anarchistischen Beiträge. Schickt sie uns per E-Mail an die-lifestyle-anarchistin@riseup.net (vorzugsweise verschlüsselt – PGP Key) oder nutzt unser Kontaktformular.
Einsendeschluss für Beiträge der dritten Ausgabe ist der 26. Mai 2019.